Rabien und die Zeitgeschichte

Ein farbiger Spiegel der Geschichte unseres Hauses zwischen 1905 und 1955 - und zugleich der Zeitgeschichte - erschien 1955 als Sonntagsserie der BERLINER MORGENPOST unter dem Titel:

"In Potsdam mal konditern gehn..." Geschichte aus 5 Jahrzehnten – erlebt im Café Rabien.

Hier können Sie alle Folgen der 13-teiligen Serie nachlesen

Folge 7 / 13

  • Konditorn in Sanssouci


In Potsdam mal konditern gehn

Geschichte aus 5 Jahrzehnten – erlebt im Café Rabien / von Franz Born, erschienen 1955 als Sonntagsserie der BERLINER MORGENPOST

Teil VII - Am Brandenburger Tor

Unentwegt hielt das alte Potsdam an seiner Tradition fest. Trotz des gesteigerten Fremdenzustroms aus aller Welt blieb es auch nach 1920 die Stadt der großen preußischen Tradition. Hier hielten die nationalen Verbände und die einstigen Potsdamer Regimenter ihre Feiern ab, meist in den alten Uniformen und bei großen Militärkonzerten. Der Film entdeckte das Potsdam des Fridericus Rex und des Rokoko. Die Hohenzollernprinzen wohnten wie bisher in ihren Villen, und das alte Stammpublikum traf sich in der Konditorei Rabien. Die Jugend aber ging mit der neuen Zeit und brachte neue Ideen und frischen Wind in die alte Residenzstadt.

In einer ganz besonderen Weise wurde Potsdam in dieser Zeit zu einer Stadt der Jugend. Die zahlreichen Pfadfinder- und Jugendverbände entdeckten die schöne Umgebung der alten Stadt. Draußen in den Golmer Bergen brannten die Lagerfeuer; man zog zu Großfahrten in die Wälder zwischen Ferch und Seddin hinaus. Es war eine kurze, besonders glückliche Epoche der Jugendbewegung. Auch im Hause und in der Konditorei Rabien fand sich ein Kreis von jungen, begeisterten und interessierten Menschen zusammen.

Auf dem großen Oberboden des Hauses wurden Leseabende abgehalten und die schon erwähnten Theateraufführungen veranstaltet. Unter diesen Freunden und Mitschülern war Hans Chemin-Petit — heute Professor in Berlin und weithin bekannter Leiter des Berliner Philharmonischen Chors —, der für die „Bühnenstücke“ die Begleitmusik schrieb und sogar eine kleine Oper verfaßte. Sein Textdichter war der junge Herbert Lehmann, in dessen Stück ja auch Prinz Wilhelm in Charlottenhof aufgetreten war. Er ist heute ein international bekannter Geograph, der seinen Lehrstuhl in Frankfurt am Main hat und während all seiner Expeditionen in die Mittelmeerländer, nach Java, nach den USA und den Karibischen Inseln nie die Verbindung zum Haus Rabien verlor. Ernst Ginsberg, der spätere Intendant des Stadttheaters Basel, gehörte zu diesem Kreis und schließlich sogar mancher prominente Künstler und Wissenschaftler.

Denn die jungen Leute scheuten sich gar nicht, im Licht der Öffentlichkeit stehende Persönlichkeiten einzuladen, um mit ihnen zu diskutieren. Den meisten imponierte das. So erschien der Regisseur und Maler Hans Holtorf, um bei einer solchen Aufführung die Regie zu übernehmen, und es kam der große Jugendpsychologe und Philosoph Eduard Spranger aus Berlin herüber.

Es entstand ein kleiner, kultureller „Salon“ im Haus Rabien, dessen Mitglieder noch lange Jahre in Verbindung blieben und von dem manche Wirkung ausgehen sollte. Die Rabiens merkten das vor allem später im Olympiadejahr, als alte Freunde aus aller Welt sich plötzlich ein Stelldichein in der Konditorei geben sollten.

Gelegentlich aber trafen die alte traditionelle Welt Potsdams und die moderne Jugendwelt auf recht merkwürdige Weise zusammen. Auf den Rosenmontagsfesten der Künstlergilde, die gerade in den Jahren von 1922 bis 1928 von der alten Potsdamer Gesellschaft besucht wurden, erschienen die Damen und Herren der einstigen Hof- und Militärkreise noch immer mit „echten“ Kostümen — in Rokokotrachten, in Ritterrüstungen und manche Damen sogar mit Brünhilden-Brünne —, die sämtlich vom Potsdamer Verleiher Persch ausgeliehen waren und die keinem Teilnehmer eines solchen Balles mehr Überraschungen bieten konnten. Inmitten einer solchen stark historisch betonten Vergnügung tauchten die Brüder Rabien als expressionistisch gekleidete Neger mit blauen Wollperücken und dick geschminkten Lippen auf und riefen denn auch das Entsetzen hervor, das sie erwartet hatten.

Am nächsten Tag wurde Frau Rabien von mehreren Kunden in diskreter Weise auf das unmögliche Treiben ihrer Herren Söhne aufmerksam gemacht. Doch sie wußte ihre Gäste schnell zu beruhigen. Es war ohnedies nicht leicht, allen alles recht zu machen. Gerade in Potsdam nicht! Zum Weihnachtsfest 1930 sah man in den Schaufenstern der Konditorei Rabien am Nauener Tor wie immer eine schöne Weihnachtsdekoration — diesmal aber eine besonders moderne. Aus Marzipan war ein „himmlischer“ Flughafen gebaut worden, auf dem Engel die Flugzeuge mit Geschenkkörben beluden und kleine appetitliche Marzipanschweine auf den Startbahnen herumstanden.

Mit allem hatte Frau Rabien gerechnet, aber nicht damit, daß man an dieser Dekoration Anstoß nehmen könnte. Doch einer der Pastoren der ehemaligen kaiserlichen Residenzstadt Potsdam betrat sehr indigniert das Geschäft und erklärte der Frau Meisterin in einer längeren Rede, daß die Darstellung im Schaufenster frivol sei und Schweine im Himmel nichts zu suchen hätten! Davon ließe sich nichts in der Bibel finden, und auch in scherzhafter Darstellung sei so etwas äußerst anstößig. Auch hier gelang es zum Glück, das rechte Wort zu finden!

Immer stärker war in den letzten Jahren die Frau des Meisters in den Vordergrund getreten; fast allein hatte sie sich um das Geschäft kümmern müssen. Meister Rabien war erkrankt, und das Jahr 1931 wurde ein Schicksalsjahr für die alte Hofkonditorei. Der Meister starb. Haus und Grundstück sollten der Familie gekündigt werden. Da nahm Frau Rabien das Schicksal der Konditorei in ihre Hände. Sie rief den Zweitältesten Sohn zurück, der, dem seemännischen „hobby“ seiner Familie folgend, inzwischen die Backstube mit einer Schiffbauwerft in Lübeck vertauscht hatte. Sie wußte die Kündigung hinauszuschieben. Und sie führte einen bereits lange gehegten Entschluß durch — sie kaufte kurz entschlossen ein altes, ziemlich baufälliges Haus am Brandenburger Tor. Denn seit die Glanzzeit des alten Adels vorüber war und die großen Bestellungen aus den Villen in der Weinmeisterstraße nicht mehr oder doch wesentlich spärlicher eintrafen, hatte sie überlegt, ob es nicht besser sei, das Cafe an den Rand des großen Touristenstromes zu verlegen, der nach Sanssouci zog.

Noch einmal der alte Glanz

Die Stadt Potsdam riet dringend von dem Erwerb des Hauses am Brandenburger Tor ab. Doch Frau Rabien ließ sich nicht beirren. Es sollte weit über ein Jahr dauern, bis das Haus umgebaut war und ihr Sohn im Oktober 1932 das Cafe eröffnen konnte.

Aber noch immer konnten sich Rabiens nicht entschließen, ihre alte, traditionelle Konditorei am Nauener Tor aufzugeben; zuviel Erinnerungen und Geschichte hingen an diesen Räumen und an der „historischen Ecke“. So kam es, daß man in der Konditorei am Nauener Tor, kurz bevor sie geschlossen wurde, noch den „Tag von Potsdam“ erlebte.

 Im ersten Stock der Konditorei am Nauener Tor. Hier sollten sich noch einmal am 31. März 1933 die alten Gäste des Hauses treffen, ehe die Firma endgültig zum Brandenburger Tor übersiedelte. Foto: privat

Plötzlich stand die alte Residenzstadt im Scheinwerferlicht der großen Politik. Hitler und seine Partei waren an die Macht gekommen. Und mit seinem unheilvollen Geschick für richtige Propaganda wußte Hitler den „Tag von Potsdam“ und das feierliche Zusammentreffen mit Hindenburg in der Garnisonkirche zu inszenieren. Es schien, als solle die alte preußische Tradition wiederaufleben. Der Kronprinz und die Prinzen waren geladen, Generalfeldmarschall von Mackensen, Generaloberst von Seekt und die Generale des alten kaiserlichen Heeres mußten erscheinen.

Kein Wunder, daß die Potsdamer begeistert waren, als Hindenburg in großer Uniform zum Gottesdienst vor der Nikolaikirche vorfuhr, als sie den Kronprinzen in der Uniform der Totenkopfhusaren sahen und hörten, daß hier in Potsdam ein neuer Aufstieg Preußens und des Reiches beginnen sollte.

Am Büfett der Konditorei diskutierten an diesem Nachmittag des 21. März 1933 alte Offiziere in Uniform darüber, daß jedenfalls Sozialdemokraten und Demokraten niemals Seine Kaiserliche Hoheit den Kronprinzen und die Generale eingeladen hatten. Dachte dieser Hitler vielleicht nicht doch an eine Wiedereinführung der Monarchie? Ein paar rührende alte Exzellenzen umarmten Frau Rabien unter Tränen: „Sie werden sehen, jetzt bekommen wir unseren Kaiser wieder!“

Daß der Tag von Potsdam für Hitler nur eine geschickte Propaganda gewesen war, das erfuhr man allerdings schon einige Tage später bei der ersten großen „Kanzlerrede“. Von dem scharfen, fast brutalen Ausfall gegen die Monarchisten waren viele Potsdamer bitter enttäuscht!

Mit dem 31. März 1933 kam auch der Tag heran, da die Konditorei Rabien vom Nauener Tor endgültig Abschied nehmen mußte. Wenn auch die alte, gute Tradition mit hinüber ans Brandenburger Tor zog — hier ging doch etwas Unwiederbringliches verloren. Und so wurde denn auch der Abschied vom alten Haus in einer ganz besonderen Weise gefeiert.

Teil VIII - Neues Haus und neue Gäste

BERLINER MORGENPOST -- SONNTAG, 9. OKTOBER 1955


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