Rabien und die Zeitgeschichte

Ein farbiger Spiegel der Geschichte unseres Hauses zwischen 1905 und 1955 - und zugleich der Zeitgeschichte - erschien 1955 als Sonntagsserie der BERLINER MORGENPOST unter dem Titel:

"In Potsdam mal konditern gehn..." Geschichte aus 5 Jahrzehnten – erlebt im Café Rabien.

Hier können Sie alle Folgen der 13-teiligen Serie nachlesen

Folge 9 / 13

  • Konditorn in Sanssouci


In Potsdam mal konditern gehn

Geschichte aus 5 Jahrzehnten – erlebt im Café Rabien / von Franz Born, erschienen 1955 als Sonntagsserie der BERLINER MORGENPOST

Teil IX - Die schönste Frau von Potsdam

Das neue Haus am Brandenburger Tor sah auch eine Fülle von neuen Gästen. Vor allem die Filmleute kamen aus der nahen Ufa-Stadt Babelsberg herüber. Lillan Harvey, Renate Müller, Gustav Fröhlich, Marie-Luise Claudius, Mathias Wiemann und viele andere haben bei Rabien konditert. Von anderen Gästen und Stammgästen, vor allem von dem unvergessenen Historiographen Potsdams, Professor Hans Kania, wollen wir heute berichten.

Zu den treuen Stammgästen der Konditorei gehörte auch der Mann, der das weltberühmte Glockenspiel der Garnisonkirche betreute: Professor Becker. Man sah den kleinen, untersetzten Herrn nie ohne seine prallgefüllte Aktentasche, die er auch im Cafe immer dicht neben sich stellte, um sie ja nicht zu vergessen. Und diese Sorge war berechtigt; über seine „sagenhafte“ Zerstreutheit ging eine Fülle von Anekdoten in Potsdam um.

Er lebte nur für die Musik — vor allem für „seine“ Orgel und das Glockenspiel der Garnisonkirche. Dort oben auf dem Turm mit dem Blick über Stadt und Havel amtierte er bis zu der Bombennacht, da der größte Teil des historischen Potsdam in Schutt und Asche sinken sollte. Der Turm war sein Reich — einer seiner Freunde hat einmal ausgerechnet, daß Otto Becker die 365 Stufen, die bis zu der Spielstube unter dem Glockenspiel empor führten, in seinem Leben, etwa zwanzigtausendmal emporgestiegen ist!

Das genaue Gegenteil des zerstreuten und in eine Welt eingesponnenen Professors war ein anderer Gast: die sehr elegante und etwas exzentrische Exzellenz von E. Fast immer, wenn sie am Büfett der Konditorei erschien, brachte sie einen Schwarm von ausländischen Gästen und Diplomaten mit. Für die großen Empfänge, die sie in ihrem prachtvollen Haus, nicht weit von der Glienicker Brücke, gab, mußte Meister Rabien ein verschwenderisches Büfett aufbauen — die Exzellenz lieferte sogar genaue Zeichnungen und wünschte, daß alles genau so ausgeführt würde, wie sie es sich gedacht hatte.

Die gleiche Großzügigkeit zeigte sie aber auch, wenn es um die Rechnung ging — nur leider in einer ganz anderen Richtung. Sie pflegte fast jedes Jahr mehrere Monate nach Indien zu reisen, und wenn sie zurückkehrte, konnte sie sich gar nicht mehr erinnern, daß da noch eine Rechnung zu bezahlen war. „Ich bin doch so lange fort gewesen, Sie wissen es selbst“, sagte sie dann liebenswürdig mit ihrem fremdartigen Akzent zu dem verzweifelten Meister. „Wissen Sie was, wir einigen uns auf die Hälfte!“. Doch dann erschien sie meist schon in den nächsten Tagen mit einer so großen Gesellschaft in der Konditorei, daß sich alles wieder ausglich.

Ein Original wie den Maler Max Arenz konnte man vielleicht überhaupt nur noch in Potsdam antreffen. Er war einer der wenigen Gäste des Cafes, die nie „konditerten", sondern stets ein Glas Bier vor sich zu stehen hatten. Er porträtierte seit Jahrzehnten ausschließlich den alten Adel, und zwar fuhr er, wie früher die Maler im achtzehnten Jahrhundert, auf die Güter hinaus und richtete sich dort für mehrere Wochen ein, um, wenn möglich, die gesamte Familie zu malen. Obwohl er sich stets in einer hochgepflegten und formensicheren Gesellschaft bewegte, war er doch selbst in seiner bayerischen Art so formlos wie nur möglich. Zu einem festlichen Musikabend, den Graf Schwerin in seiner Villa in der Persius-Straße gab und auf dem man die Damen in großer Toilette, weißen Glacéhandschuhen und mit Lorgnon bewundern konnte, erschien Arenz mit einer alten Schirmmütze, weil ihn angeblich das Licht so sehr störte!

Noch immer erschien ein großer Teil der alten Stammkundschaft täglich zur gewohnten Stunde und war sich darüber einig, daß die neue Zeit doch einiges Gute gebracht hatte. Zunächst: Potsdam war wieder Garnisonstadt geworden! In der Soldatenstadt gab es wieder Soldaten, Offiziere und — wie einst, in den Gartenlokalen und draußen in Kuhfort, den traditionellen sonntäglichen „Schwof“. Und zum zweiten war es geradezu auffällig, mit welcher besonderen Sorgfalt und Liebe sich der neue Bürgermeister um die Schlösser, Gärten und historischen Bauten der Stadt bekümmerte. Er tat alles, um Potsdam für das Olympiadejahr 1936 in neuem Glanz erstrahlen zu lassen!

Tatsächlich brachte denn auch die Olympiade den größten Zustrom an auswärtigen Gästen, den man jemals erlebt hatte. Amerikaner, Engländer, Spanier, Franzosen, Italiener, Rumänen, Griechen, Inder und Japaner parkten ihre Wagen am Brandenburger Tor, vor dem Palast-Hotel oder vor dem „Einsiedler“ und zogen in Scharen durch die Straßen und Parks von Potsdam.

Die meisten von ihnen hatten nicht mehr erwartet, als Schloß Sanssouci, die Historische Mühle und die Garni­sonkirche zu sehen. Statt dessen fanden sie etwas ganz Einzigartiges, was es so auf der Welt nicht zum zweiten­mal gab: sie entdeckten in den Straßen Palastfassaden aus Rom und Florenz, aus Vicenza und Padua — sie fanden ein lebendiges Architekturmuseum. So und nicht anders hat es Friedrich der Große gewollt, als er seine Architekten anwies, vor die Potsdamer Bürgerhäuser einfach eine Schloßfassade der Renaissance zu setzen, damit er, wenn er durch Potsdam fuhr, glauben konnte, im glücklichen Italien zu sein statt in der Mark Brandenburg!

Die Nachfolger Friedrichs hatten an diesem Kunstwerk Potsdam weitergeschaffen; auch sie hatten italienische Villen, römische Tempel und luftige Säulenhallen gebaut, hatten südliche Gärten und Parkpartien entstehen lassen und die märkische Landschaft in ein Zauberreich verwandelt.

Der beste Führer durch dieses Zauberreich war Potsdams Historiograph, Professor Hans Kania. Er kannte jedes Haus in den Straßen Potsdams, wußte von jedem Giebel, jeder Fassade etwas zu erzählen. Und es war bei jeder Führung, als ob er von sich aus zum erstenmal die Schönheiten der Stadt und ihrer Umgebung entdeckte; seine Begeisterung übertrug sich unwillkürlich auch auf die Zuschauer. Er hat so manchem berühmten Besucher, die Schönheiten Potsdams erschlossen; auch Francois Poncet ist zusammen mit ihm durch die Straßen und die Parks gestreift.

Einmal aber ging Hans Kania mit seiner Vorliebe für die Potsdamer Architektur denn doch zu weit. In der Potsdamer Tageszeitung war ein Artikel von ihm angekündigt mit dem Titel „Die schönste Frau Potsdams“. Die Potsdamer Damenwelt geriet in helle Aufregung. Man überlegte hin und her, wem der Professor wohl die Palme reichen würde, riet auf ein paar jüngere Damen des Adels, auf eine sehr hübsche junge Schauspielerin des Potsdamer Stadttheaters, auf Damen aus des Professors Umkreis ... Aber niemand traf das Richtige. Als der Artikel endlich erschien, ergab sich vielmehr zur Empörung der Leserinnen, daß Professor Kania eine Marmorgöttin des Bildhauers Glume auf dem Stadtschloß zur schönsten Frau Potsdams erklärte!

Furtwängler wird gerufen...

Professor Kania gehörte ganz einfach zum Stadtbild Potsdams — ein dicker, schwerer Mann mit einem großen grauen Hut, dem die Brasilzigarre niemals ausging. Vormittags gegen elf Uhr tauchte er regelmäßig bei Rabien auf, und sobald ihn die Serviererinnen erblickten, bestellten sie für ihn in der Küche seinen extra starken Kaffee, zu dem er mit besonderer Vorliebe — Marzipan verzehrte.

An dem kleinen Marmortischchen machte er sich seine Notizen für die großen, in der gesamten Fachwelt bekannten Bücher über Knobelsdorff, Schinkel und die Potsdamer Baukunst. Zum Nachmittagskaffee erschien er dann zum zweitenmal und blieb manchmal mit Freunden bis tief in die Nacht hinein; auch Karl Foerster, der weltbekannte Gartenschöpfer und Blumenfachmann aus Bornim, saß gelegentlich mit am Tisch und belebte das Gespräch mit seinen witzigen Einwürfen. —

Die Olympiade war verrauscht, und es kam die alljährliche „Herbstsaison“ für Potsdam. Fast genauso zahlreich wie im Frühling kamen die Berliner zu dieser Jahreszeit herüber, um weite Wanderungen durch den Wildpark zu machen, dessen reicher, uralter Baum­bestand in den wundervollsten Farben prangte, um Forsthaus Templin aufzusuchen und bis nach Caputh und Ferch hinüberzustreifen. Und die Parks entfalteten gerade jetzt zur Herbstzeit ihren einmaligen verträumten Zauber.

Der neue Oberbürgermeister Friedrichs war entschlossen, Potsdam noch viel mehr als bisher zum Mittelpunkt des Fremden- und Touristenverkehrs zu machen. Es sollte zugleich, ähnlich wie Dresden, Kunststadt werden. „Aus Potsdam machen wir ein preußisches Salzburg“, soll er einmal im Kreise enger Mitarbeiter geäußert haben. Und das blieb nicht etwa nur ein Projekt. Es folgten Telefongespräche mit Berlin, mit Furtwängler... die Pianisten Edwin Fischer und Wilhelm Kempff wurden zum Oberbürgermeister gebeten. „Die Behörden haben uns jede erdenkliche Hilfe zugesagt“, das war der Satz, mit dem Friedrichs sie empfing. Und dann wurde ihnen ein Programm entwickelt, das alle ihre Erwartungen weit übertreffen sollte.

Teil X - Das letzte Aufleuchten

BERLINER MORGENPOST -- SONNTAG, 23. OKTOBER 1955


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