Rabien und die Zeitgeschichte

Ein farbiger Spiegel der Geschichte unseres Hauses zwischen 1905 und 1955 - und zugleich der Zeitgeschichte - erschien 1955 als Sonntagsserie der BERLINER MORGENPOST unter dem Titel:

"In Potsdam mal konditern gehn..." Geschichte aus 5 Jahrzehnten – erlebt im Café Rabien.

Hier können Sie alle Folgen der 13-teiligen Serie nachlesen

Folge 3 / 13

  • Konditorn in Sanssouci


In Potsdam mal konditern gehn

Geschichte aus 5 Jahrzehnten – erlebt im Café Rabien / von Franz Born, erschienen 1955 als Sonntagsserie der BERLINER MORGENPOST

Teil III - Schrippenfest und Kronprinzenhochzeit

Zu vielen festlichen Empfangen lieferte die Hofkonditorei Vorspeisen, Pasteten, Torten und Eisbomben. Wenn der Kaiser nach dem alljährlichen Schrippenfest den zur Parade geladenen Gästen ein Galadiner gab, mußte Meister Rabien im Muschelsaal des Neuen Palais die Tortentafel aufstellen.

„Der Mopke — das war der weite Platz zwischen der Rückfront des Neuen Palais und den „Communs“ genannten Kavaliershäusern. Hier gab alljährlich am zweiten Pfingstfeiertag der Kaiser seinem Lehr-Infanterie-Bataillon ein Festessen unter freiem Himmel. An langen Tafeln hatten Mannschaften und Offiziere des Bataillons Platz genommen und verzehrten das Traditionsessen, das in ungeheuren Mengen aufgefahren war, so reichlich, daß nachher noch die Kadetten und das Militärwaisenhaus sich daran satt essen konnten. Es gab Rinderbraten, saure Gurken, Kartoffeln und Backpflaumen, und dazu ein in Schrippenform gebackenes Weißbrot, nach dem der Volksmund, schließlich das gesamte Fest „Schrippenfest“ nannte. Die Prinzen tafelten mit dem Bataillon zusammen, und der Kaiser trank unter einem farbigen Zelt das erste Glas Bier auf das Wohl seiner Soldaten.

Das große Ereignis des Jahres 1905 aber war für Potsdam die Einholung des jungen Kronprinzenpaares am 20. Juni, das im Marmorpalais Wohnung nehmen sollte. In Scharen waren die Berliner herübergekommen, obwohl sie doch schon die Hochzeit in Berlin miterlebt hatten. Um zwei Uhr nachmittags waren die Konditoreien und Gaststätten längs der Feststraße überfüllt, Schlagsahne wurde zu den höchsten Preisen gehandelt, und in der Konditorei Rabien mußte man die Stammgäste, die später kamen, auf den Balkons des Hauses unterbringen.

Ganz Potsdam war für diesen Tag festlich geschmückt; vom Bahnhof bis hinaus zum Neuen Garten zogen sich mit Rosen über und über verzierte Tannengirlanden; der Bahnhofsplatz war in einen Italienischen Garten verwandelt. Hier präsentierte die Ehrenkompanie des Ersten Garderegiments zu Fuß das Gewehr, als der Sonderzug eingetroffen war. Das Kronprinzen-Paar schritt die Front ab und bestieg dann die offene sechsspännige Kalesche.

Der schwarze Paukenschläger der Gardehusaren *) eröffnete den Einzug, und hinter ihm ritten in prall sitzendem schwarzem Frack mit blauer Schärpe die gewichtigen Meister der Fleischerinnung, die seit alters her das Recht hatte, den Kronprinzen einzuholen. Der Jubel all der Spalier bildenden Innungen, Kriegervereine und Schulkinder brauste auf; die Kalesche rollte über die Lange Brücke, wo die Havelschiffer das Paar auf einer zum Wikingerschiff umstilisierten Zille mit Hochrufen empfingen.

Am Marktplatz fand dann unter einem roten Baldachin die feierliche Begrüßung durch den Bürgermeister statt, während auf der großen Freitreppe von St. Nicolai die weißgekleideten Ehrenjungfrauen in einen tiefen Hofknicks versanken.

Und dann ging es langsam die Nauener Straße hinab. Der Kronprinz im federgeschmückten Helm grüßte nach allen Seiten, die Kronprinzessin, ganz in Rosa mit breitem Federhut, warf Kußhände. An der Konditorei vorüber rollte die Kalesche durch das Nauener Tor, und am Neuen Garten bogen dann die Trakehner ein. Im gleichen Augenblick wurde der Präsentiermarsch geschlagen, und der Kronprinzensalut donnerte von der nahen Matrosen-Station Kongsnees herüber. Am Ende aber der Auffahrt, an der Schwelle des Marmorpalais, erwartete die Kaiserin das Brautpaar. Es war genauso glanzvoll und festlich, wie man es erwartet hatte — eine intime Demonstration von Deutschlands Macht und Glanz und zugleich für ganz Potsdam ein Familienfest, das bis in die späte Nacht hinein gefeiert wurde.

Solcher Ansturm von Gästen in der kleinen Hofkonditorei war natürlich außergewöhnlich, und der Herr Hofkonditormeister war auch gar nicht so besonders glücklich darüber. Denn sein Prinzip war es ja, den einzelnen Kunden so persönlich wie möglich zu bedienen, vom ersten Frühstücksgast an bis zu den letzten Besuchern, die meist aus dem kleinen Theater am Alten Kanal kamen, um noch eine Erfrischung zu nehmen. Der, erste Frühstücksgast übrigens war immer der gleiche: der bekannte Juwelier Vogel, der es nun einmal durchaus nicht vertragen konnte, daß seine Frau Gemahlin ausgerechnet vor dem ersten Frühstück noch einmal gründlich lüften und im Frühstückszimmer Staub wischen wollte.

Da sie aber davon nicht abzubringen war, überließ er ihr einfach das Feld und kam zu Rabien. Hier erhielt er — wie alle Stammgäste — seine Viertellitertasse Bohnenkaffee und natürlich auch immer „seine“ Tasse, hier konnte er in Ruhe die Zeitung lesen, sich über die Politik, und die Preise unterrichten und sich zum Abschluß für den Tag mit einem Gläschen Sherry stärken. Er tat das nahezu fünfzig Jahre lang — erst in der Zeit nach 1945 wurde ihm dann der Morgenkaffee zu teuer!

Was las Herr Juwelier Vogel so in den Zeitungen, wenn er sie im Jahre 1913 durchblätterte? Politik interessierte ihn nicht sonderlich, aber auf die Annoncen legte er großen Wert. „Reise-Sakkoanzüge“, las er, „neueste Muster, elegante Formen. Preis 24, 36 und 50 Mark.“ Für einen eleganten Paletot nach Maß hätte er 55 Mark anlegen müssen, und ein weißes Voilekleid mit Stickerei für seine Frau Gemahlin hätte ihn etwa 25,50 Mark gekostet. Für insgesamt 70 Mark bot ihm eine Firma einen Anzug, einen Paletot und eine Hose an. Das Pfund Leberwurst wurde für 85 Pfennig offeriert, für das Bund geräucherte Aale mußte man 43 Pfennig zahlen, und die Tomaten waren das Pfund für 8 Pfennig zu haben. Ein guter Bordeaux für den Weinkeller war schon für 1,20 zu bekommen, die Flasche Nordhäuser für l Mark! Und wenn der Herr Juwelier mit seiner Familie im Klosterkeller einmal sonntags essen gehen wollte, so gab es dort ein Menü für 1,25 Mark. Der Speisenzettel lohnt sich zu lesen: Krebssuppe, Zander mit holländischer Sauce, Rehbraten und Fruchteis. Der Mohrenkopf im Cafe Rabien kostete 5 Pfennig, und das Sahnenbaiser bekam man für einen Groschen!

Berichte von Manövern, Diplomatentreffen, Prozessen füllten die Spalten. Drüben in Berlin las man andere Zeitungen, voll scharfer Kritik, voll warnender Voraussicht, was die politische Lage betraf. Hier in Potsdam hielt man sich mehr an das Traditionelle, an die glückliche Gegenwart, die sich, so glaubte man, nie ändern, sondern immer nur noch bessern könne. Und ganz anders als in Berlin war hier im alten Potsdam das Leben noch geruhsam und patriarchalisch.

Wie gemütlich war das alte Eckhaus der Konditorei Rabien am Nauener Tor, wie eine Burg um einen langen Hof herumgebaut. Die Außenwände waren mit duftendem Resedawein bewachsen. Im Inneren war viel Platz: riesige Böden, versteckte kleine Kammern, ein Dachgarten in der Höhe der ersten Etage . Das gesamte Personal wohnte im Haus, alle Feste wurden zusammen gefeiert; es gab für alle das gleiche Essen, die gleiche Arbeit und — die gleiche, knappe Erholung!

Denn das war nun die Kehrseite dieser sorglosen und glücklichen Zeit: man kannte hier noch keinen Achtstundentag und keinen bezahlten Sommerurlaub. Wenn bis in die Nacht hinein gearbeitet werden mußte, konnte sich keiner ausschließen. Die Angestellten bekamen alle vierzehn Tage einen halben Tag frei — und das fand man eigentlich ganz selbstverständlich.

Unter den Lehrlingen des Hauses Rabien waren auch die Söhne begüterter Konditormeister aus Berlin und aus ganz Deutschland, die hier von der Pike auf ihren Beruf erlernen sollten. Sie mußten im Backhaus arbeiten, in der Konditorei servieren; sie nahmen auch an den Familienabenden teil und lernten Potsdam und die Potsdamer Welt kennen. Für manche allerdings war so viel „Noblesse“ ansteckend. Zwei Konditorsöhne aus Heidelberg jedenfalls waren davon so beeindruckt, daß sie sich heimlich Visitenkarten mit einer Grafenkrone drucken ließen. Ihren halben freien Tag benutzten sie dann dazu, als „Grafen“ auszugehen, und selbstverständlich fanden sie dadurch schnell eine reizvolle weibliche Begleitung.

Aber wie es der böse Zufall wollte, erschienen eines Tages die beiden jungen Damen, die sie so oft ausgeführt hatten, in der Konditorei Rabien. Und da sahen sie gerade noch, wie ihre „Grafen“ das Serviertablett ruckartig abstellten und fluchtartig durch die Hintertür verschwanden. Die sehr verwunderten jungen Mädchen erkundigten sich natürlich am Büfett und mußten die große Enttäuschung hinnehmen. Bei allem Humor konnte Meister Rabien aber solchen „Hoch Staplern“ kein Vertrauen mehr schenken und schickte sie, wie sein Tagebuch ausweist, zu ihren Vätern zurück.

Und dann kam alljährlich eine wunderschöne, idyllische Zeit, in der nur noch wenige Fremde in Potsdam auftauchten und die Scharen ausflugsfreudiger Berliner lieber im warmen Heim zu Hause blieben.

--------------------------------- *) In unserer letzten Fortsetzung teilten wir den schwarzen Kesselpauker Sambo versehentlich der Infanterie zu. Er gehörte jedoch zu den Potsdamer Gardehusaren. Das Erste Garderegiment zu Fuß hatte einen baumlangen Marokkaner in seinem Musikzug: den Schellenbaumträger. Ein Hinweis, für den wir vielen aufmerksamen Lesern herzlich danken.

Teil IV - Eine Epoche versinkt

BERLINER MORGENPOST -- SONNTAG, 11. SEPTEMBER 1955


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