Rabien und die Zeitgeschichte

Ein farbiger Spiegel der Geschichte unseres Hauses zwischen 1905 und 1955 - und zugleich der Zeitgeschichte - erschien 1955 als Sonntagsserie der BERLINER MORGENPOST unter dem Titel:

"In Potsdam mal konditern gehn..." Geschichte aus 5 Jahrzehnten – erlebt im Café Rabien.

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Folge 10 / 13

  • Konditorn in Sanssouci


In Potsdam mal konditern gehn

Geschichte aus 5 Jahrzehnten – erlebt im Café Rabien / von Franz Born, erschienen 1955 als Sonntagsserie der BERLINER MORGENPOST

Teil X - Das letzte Aufleuchten

Während der Olympiade im Jahre 1936 war die ganze Welt in Potsdam zu Gast: amerikanische, englische, französische und italienische Wagen parkten vor der Konditorei am Brandenburger Tor; im Park von Sanssouci traf man Inder, Malaien und Japaner. Durch die Einrichtung der Potsdamer Musiktage hoffte man, nun Jahr für Jahr einen solchen Strom ausländischer Gäste nach Potsdam ziehen zu können. Die Größen des Berliner Musiklebens, an der Spitze Furtwängler, wurden berufen. Und wenn sich auch die politische Situation schon in den folgenden Jahren bedrohlich verändern sollte, so erlebte die Stadt doch durch die großen Musikabende noch einmal eine neue Blüte als Kulturzentrum.

Wieder einmal begegnete man neuen und illustren Gästen bei Rabien: die Philharmoniker tranken ihren Kaffee dort; man sah weltbekannte Geiger, wie Professor Kulenkampf zusammen mit dem Cellisten Enrico Mainardi. Sänger und Sängerinnen der Berliner und der Dresdener Oper trafen sich bei Rabien vor oder nach der Probe.

In Scharen kamen die Berliner zu diesen sommerlichen Musiktagen herüber, um in einer unvergleichlichen Umgebung ihre Philharmoniker zu hören und die beschwingte, lichte Musik des Rokoko in den Schlössern selbst und im Rahmen der großen Rokokobaukunst mitzuerleben.

Noch nie hatte Potsdam so im Mittelpunkt des Konzertlebens gestanden, Man traf bei den großen Veranstaltungen der Philharmoniker im Konzerthaus, bei den Orgelkonzerten in der Garnisonkirche und auf den Serenadenabenden nicht nur die Kronprinzessin, den Prinzen August Wilhelm mit seiner Begleiterin und viele Mitglieder der alten Adelsfamilien — meist schon mit schlohweißem Haar und ihrer unverkennbaren „Haltung“ — sondern bis zum Jahre 1938 auch noch in weitem Maße internationales Publikum, das sich die Kostbarkeit solcher Aufführungen in der alten Rokokostadt nicht entgehen lassen wollte.

Von den Ausländern kamen noch immer besonders gern die Amerikaner. Sie gaben bei Rabien gleich ihre Bestellungen für das Weihnachtsfest auf. Die Spezialität für sie: die bunten Pfefferkuchenhäuser. Ähnlich wie früher einmal die Baumkuchen der Konditorei in alle Welt gingen, wurden jetzt in Spezialkisten Pfefferkuchenhäuschen nach den Staaten gesandt. Aus New York und besonders aus Chikago kam der Hauptteil der Bestellungen, aber selbst bis in die Präriestädte und hinüber nach San Franzisko und Los Angeles kam mit dieser Spezialität ein Stück deutscher Weihnachtsstimmung und Gemütlichkeit.

Wenn man die Weltgeschichte einmal aus der Konditoreiperspektive betrachtet, dann gibt es ein sicheres Anzeichen dafür, daß irgend etwas in der großen Politik nicht mehr stimmt und daß womöglich ein Krieg zu erwarten ist: das Verschwinden der Schlagsahne von den Tortentellern! Die große außenpolitische Konferenz in München im Spätsommer 1938, die im letzten Augenblick noch einmal den Weltbrand verhinderte, mochte für viele Optimisten der Anlaß sein, wieder Hoffnung zu schöpfen.

Aber die Stammgäste einer Konditorei konnten sich das Ausbleiben der Schlagsahne nur in pessimistischem Sinne deuten! Der September 1939 brachte dann den Donnerschlag: der Krieg war ausgebrochen. Aber wenn damals, 1914, die Gardetruppen singend und mit Marschmusik hinaus ins Feld gezogen waren — diesmal war es ganz anders. Zu viele ahnten, daß da ein zweiter Weltkrieg anbrach, dessen Dauer vorerst gar nicht abzuseihen war.

Mozart-Musik in der Rokokostadt: einer der großen sommerlichen Serenadenabende unter Hans Chemin-Petit auf dem Hof des Stadtschlosses.      Foto: privat In der Backstube der Konditorei jedenfalls herrschte größte Aufregung: Meister Rabien hatte das erste Margarinekontingent zugeteilt bekommen! Seitdem die schlimmsten Inflationsjahre vorüber waren, hatte man nicht einmal , mehr das Wort „Margarine“ in der alten gepflegten Konditorei ausgesprochen: eine Oldenburger Buttersendung, die einmal in Margarinekartons angekommen war, hatte man sofort mit einem empörten Brief zurückgehen lassen.

Aber es sollten sehr bald Zeiten kommen, da selbst dieses Margarinekontingent zur freudig begrüßten Seltenheit wurde und man in der Backstube zufrieden sein mußte, wenn man die von den Ernährungschemikern jener Tage erfundene „Backfettsparmasse“ in ausreichender Menge bekam.

Doch eines war wieder genau wie im letzten Weltkrieg: man ging konditern, auch wenn es keine Friedensbuttercremetorten mehr gab! Ganz besonders die Urlauber fanden in Potsdam noch eine Atmosphäre von Schönheit, Ruhe und Sorglosigkeit, die unzähligen von ihnen neue Kraft gab. Der Sommer 1942 — als schon der erste Rückschlag in Rußland erfolgt war — brachte sogar den Höhepunkt der Potsdamer Musiktage. Hier war mitten im Kriege eine Zauberinsel, auf der Mozartsymphonien ertönten, Glucks Arien und Bachs Orgelkonzerte.

Wie früher rollten die alten Droschken durch Potsdam und fuhren hinaus zur Meierei, zum Pfingstberg oder nach Templin. Unverändert waren Neuer Garten und Park Sanssouci. Und wer hier auf dem kleinen Hügel gegenüber den „Römischen Bädern“ mit ihrer lichten italienischen Heiterkeit vor sich hin träumte, durch die schönen Räume von Schloß Charlotten­hof geführt wurde oder den Himmel über der prächtigen Renaissancefassade der Orangerie mit ihren weißen Götterfiguren blauen sah — wie konnte der überhaupt noch glauben, daß es da draußen in der Welt Krieg gab!

An einer der stillsten und bezauberndsten Stellen des Parks, nahe bei Charlottenhof, wohnte Wilhelm Furtwängler; man hatte dem großen Dirigenten den ersten Stock der im Stil eines italienischen Landhauses gebauten Fasanerie eingerichtet. Vor den Rundbogen seiner Fenster dehnte sich die große Parkwiese bis hinüber zum Neuen Palais; auf langen, einsamen Spaziergängen fand er hier Sammlung und die Kraft für seine musikalischen Aufgaben.

Es gab funkelnd-witzige und lebendige Abende in der Fasanerie, in deren Dachzimmer das allen Furtwängler-Freunden bekannte Fräulein Lenchen wohnte, streng über Diät und Gesundheit ihres Herrn und Meisters wachte und auch seine kleinen intimen Gesellschaften betreute. Dann kam von seinem Haus am Neuen Garten der Pianist Wilhelm Kempff herüber. Edwin Fischer war da, Kulenkampf erschien und der Pianist Eduard Erdmann. Und gar nicht selten gehörte die Kronprinzessin Cecilie zu den Gästen, die sich vom Schlößchen Cecilienhof her, wie sie scherzend sagte, als gute Nachbarin einfand.

Solche musikalischen und kulturellen Abende im Freundeskreis be­schränkten sich durchaus nicht nur auf das Haus des großen Dirigenten. In vielen Potsdamer Familien, und auch nach alter Tradition im Haus der Familie Rabien, fand sich mehrmals in der Woche ein Freundeskreis zur literarischen und musikalischen Unter­haltung zusammen. Je mehr sich die Welt draußen veränderte, je kleiner der Freundes- und Bekanntenkreis wurde, desto stärker hielt gerade Potsdam an seiner Tradition und an seinem Stil fest. Die Besucher, die von Berlin herüberkamen, die Urlauber — sie alle fühlten das und sprachen es auch aus.

Vergeblich erkundigten sich alte Freunde und Schulkameraden nach den vier Brüdern Rabien; sie waren alle eingezogen, und nur der Meister war hiergeblieben, um seinen Betrieb zu leiten. Es war ein besonderes Glück, daß im Frühsommer 1943 alle vier Brüder als Urlauber noch einmal unter den Gästen und später am festlich geschmückten Tisch des Meisters saßen. Keiner von ihnen sollte Potsdam so wiedersehen, wie er es von Kindheit an gekannt hatte. Im Herbst 1943 setzten die Großalarme ein. Von Berlin kamen die ersten katastrophalen Nachrichten.

Teil XI - Der schwarze Tag — 14. April 1945

BERLINER MORGENPOST -- SONNTAG, 30. OKTOBER 1955


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